Das niederländische Architekturbüro MVRDV ist weltweit bekannt für seine mutigen und sagenhaften Entwürfe, die zu gerne an die Grenze des scheinbar Unmöglichen gehen.
In der kleinen niederländischen Stadt Schijndel findet man auf dem Marktplatz einen Neubau, der sich als Bauernhof getarnt hat. Die Fassade wurde vollständig verglast und mit einer speziellen Folie beklebt, die die Struktur eines landwirtschaftlichen Betriebs nachahmt. Das von MVRDV entworfene Gebäude beherbergt eine Reihe öffentlicher Einrichtungen wie Restaurants, Läden und ein Fitness-Center.
Der endgültige Entwurf dieses zentralen Gebäudes war eine lange Prozedur, da nicht nur die Bauherren in die Entwurfsphase eingebunden wurden, sondern auch die Bürger der niederländischen Kleinstadt ein Mitspracherecht erhielten. Letztlich entschied man sich nach etwa sieben vorgestellten Entwürfen für den hier zu sehenden.
In enger Zusammenarbeit mit den Planern fotografierte der Künstler Frank van der Salm traditionelle Bauernhöfe. Aus diesen Fotos wurde das Bild einer typischen Bauernhausfassade zusammengestückelt. Mit einem speziellen Verfahren wurden die Fotoarbeiten direkt auf die insgesamt 1800 m² große Glasfassade gedruckt. So entsteht ein Effekt, den man bereits von historischen Kirchenfenstern kennt. Die aufgedruckten Bilder sind mehr oder weniger transluzent und stehen in Abhängigkeit des Bedarfs an Lichteinfall und Ausblicken. Auf klassische Fenster konnte bei dem Entwurf verzichtet werden, da die gesamte Fassade aus Glas besteht.
Die Wahl des Gebäudehüllendesigns kam nicht von ungefähr und wurde von Stadtplanern festgelegt. MVRDV analysierte akribisch die örtlich ansässigen Bauernhäuser und ließ diese ausmessen, um eine bestmögliche Lösung für den zentralen Marktplatz zu erhalten. Aus dem Durchschnitt aller Gutshöfer wertete das Büro die Daten aus, sodass die eigentliche Gebäudedimension entstand. Mit einer Höhe von 14 Metern ist die Glass Farm bewusst überdimensioniert kreiert worden. Die Vergrößerung um das 1,6-fache zu einem konventionellen Gutshof soll das symbolische Wachstum des Dorfes kennzeichnen. Eine behutsame architektonische Lösung stand an erster Stelle, jedoch wollte die Stadt Schijndel innovatives Design in die Planung involvieren.
In der Nacht wird das Gebäude von innen beleuchtet und so zu einem Denkmal für die Bauernhäuser der Region. Die aufgedruckten Bilder der Glasfassade folgen einer speziellen Symbolik. Das Dekor zeigt an den vertikalen Flächen eine Backsteinfassade. Die Schrägen der Dachfläche weisen eine Ziegelstruktur mit einer natürlichen Patina auf. Die Optik soll demnach nicht neu erscheinen, sondern durchaus einen künstlichen Alterungsprozess darstellen. Das aufgedruckte Scheunentor ist ganze vier Meter hoch. Betrachtet ein Erwachsener das Gebäude, so wird dieser in die Perspektive eines Kleinkindes zurückversetzt. Um diesen Effekt noch zu verstärken, befinden sich neben dem Gebäude ein Tisch und eine Schaukel, eine Art überdimensionaler Bauernhausgarten. Diese lösen auch bei Erwachsenen nostalgische Gefühle aus.
Um den Passanten Einblicke in das gewerbliche Gebäude zu gewähren, wurden Aussparungen auf den Glasflächen gelassen, die die zu verkaufende Ware bestens präsentieren. Anstelle von klassischen Öffnungen sind nun Ausschnitte entstanden, die wie ein Fenster in die moderne Welt wirken.
Ein weiteres Projekt von MVRDV findet ihr hier: Markthal Rotterdam – Wohnen und Shoppen in einem
Alle wichtigen Bauinformation findet ihr hier zusammengefasst.
Bauherr: RemBrand bv (Van Den Brand Real Estate & Remmers Construction Group)
Planungs- und Bauzeit: 2008-2012
Eröffnung: 17. Januar 2013
Fassade: Brakel Atmos Gebäudetechnik
Druckverfahren: AGC Glass Europe Fläche: 1600 m²